Erwerbsarmut – Arm trotz Arbeit

Sozialer Rückzug, niedrige Renten – die Folgen von Erwerbsarmut

Erwerbsarmut hat viele Ursachen und ebenso weitreichende Folgen für die Betroffenen. Von Armut betroffen zu sein, heißt nicht nur, sich nichts leisten zu können. Vielmehr noch geht die finanzielle oft mit sozialer Armut einher und führt nicht selten zu gesellschaftlicher Isolation – aus Mangel an Möglichkeiten oder Scham über die eigene Situation. Auch auf lange Sicht hat Erwerbsarmut Folgen: Etwa dann, wenn das niedrige Einkommen selbst nach 45 Beitragsjahren keine auskömmliche Rente bringt und ehemals Erwerbstätige auf Grundsicherung angewiesen sein werden. Nicht zuletzt ist auch der mehrfach nachgewiesene Zusammenhang zwischen Armut und niedrigerer Lebenserwartung ein Alarmzeichen und Grund zu handeln!

Menschen in Armut unterstützen – das Engagement der AWO in Sachsen-Anhalt

Auch die AWO in Sachsen-Anhalt hat noch nicht flächendeckend wieder Tarifverträge eingeführt. Sie befindet sich aber auf dem Weg, alle ihre Mitarbeitenden in Tarifverträge zu beschäftigen, um Einkommensarmut und Auslöser vom Multijobben zu vermeiden. Darüber hinaus setzt sie sich mit ihrer politischen Kraft für gute Arbeitsbedingungen in allen Bereichen ein, die -wie beispielsweise in der offenen Kinder- und Jugendarbeit- durch die Rahmenbedingungen immer noch prekär sind.

Die AWO in Sachsen-Anhalt engagiert sich täglich und unermüdlich in ihren Angeboten der Tafeln. Hier erhalten Menschen schnell und unbürokratisch Lebensmittel, aber auch ein wertschätzendes und aufmunterndes Wort mit auf den Weg. In der Schuldnerberatung stehen die Mitarbeitenden der AWO Menschen, die in finanziellen Notlagen sind, helfend zur Seite. In der Schul- und Kitasozialarbeit sowie in der Familienberatung erhalten nicht zuletzt Familien und Alleinerziehende eine enge Begleitung, Beratung und Unterstützung zur Überwindung ihrer finanziellen Probleme.

Wer arbeitet, sollte nicht von Armut bedroht sein. Wer arbeitet, sollte von seinem Einkommen würdig leben können. Und wer arbeitet, sollte nicht auf Zusatzleistungen vom Amt angewiesen sein.

Schau hin.
Die Realität sieht anders aus

Wie eine Studie der Hans-Boeckler-Stiftung aus dem Jahr 2017 zeigt, hat sich der Anteil der von Erwerbsarmut Betroffenen in Deutschland zwischen 2004 und 2014 verdoppelt.

Obwohl der Anteil der von Erwerbsarmut Betroffenen bei uns in Sachsen-Anhalt rückläufig ist, haben viele Menschen auch hier immer noch weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung und gelten als arm oder armutsgefährdet. Die Gründe für Erwerbsarmut sind vielfältig: Sei es, weil Betroffene als Alleinerziehende oder wegen der Versorgung von pflegebedürftigen Angehörigen nur Teilzeit arbeiten können, sei es, weil sie im sogenannten Niedriglohnsektor beschäftigt sind und das Einkommen kaum ausreicht. Insbesondere im Reinigungs- und Gastgewerbe verdienen Menschen selbst in Vollzeit nicht genug, um davon würdig leben zu können. Um Einkommenslücken auszugleichen, haben inzwischen mehr als 3,5 Millionen Deutsche neben einem sozialversicherungspflichtigen Hauptjob eine zusätzliche geringfügige Beschäftigung oder führen als „Multijobber“ gleich mehrere Tätigkeiten aus.

Wie wenig ist zu wenig?

Als armutsgefährdet gilt, wer nach Abzügen von Steuern und Abgaben nur 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. Für einen Alleinstehenden lag diese Grenze im Jahr 2019 bei 1.074 Euro, bei einem Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2.245 Euro. Werden hiervon die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben für Lebensmittel, Miete, Bekleidung und Gesundheit abgezogen, blieben der Familie am Ende eines Monats gerade einmal 186 Euro.

Pack an!
Wir fordern: Gute Arbeit – Faire Löhne

Um Erwerbsarmut zu begegnen, ist die Politik gefragt. Gesetzliche Regelungen müssen die Grundlage für die notwendigen Veränderungen sein.

  • Löhne müssen angehoben werden – vor allem im Niedriglohnsektor und bei Dienstleistern ist diesbezüglich Aufholarbeit notwendig. Friseur*innen, Köch*innen oder Mitarbeitende in der Landwirtschaft leisten täglich wichtige Arbeit für die Gesellschaft. Dafür sollen sie fair entlohnt werden.
  • Mehr Minijobs sollten in versicherungspflichtige Teilzeit- oder Vollzeitjobs umgewandelt werden, um Angestellten Sicherheit und Perspektive zu bieten.
  • Wer sich um die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen kümmert, darf daraus keinen finanziellen Nachteil ziehen, besonders Alleinerziehende müssen mehr unterstützt werden. Insbesondere Pflegeverantwortung sollte auch finanziell stärker gefördert beziehungsweise Pflegende entlastet werden. Das Land muss auch zukünftig Initiativen von Arbeitgebern unterstützen, die sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsetzen.

Altersarmut

Bei zu vielen Menschen in Sachsen-Anhalt reicht die Rente trotz jahrelanger Erwerbstätigkeit heute kaum, um sich benötigte Pflege leisten zu können.