Der Mensch im Mittelpunkt – gute Versorgung in jeder Lebenslage
Die Anforderungen an eine lebenslagenorientierte Versorgung haben sich in den vergangenen Jahren verändert – und werden sich zukünftig weiter verändern. Versorgungsstrukturen müssen neu gedacht werden und den einzelnen Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen in den Vordergrund stellen. Damit diese Vision kein Traum bleibt, bedarf es vieler Beteiligter – Aufgaben müssen, sowohl finanziell und fachlich als auch zwischenmenschlich und vertraglich, auf noch mehr Schultern verteilt werden. Die Forderung nach guter und individueller Versorgung in allen Lebenslagen sollte aus unserer Sicht verstärkt Gegenstand öffentlicher Diskussionen und im politischen Raum sichtbar sein.
Gute Versorgung - so individuell wie die Menschen
Die Frau von Reinhard ist 69 Jahre alt, hat die Wende nicht verkraftet und ist sei 20 Jahren seelisch beeinträchtigt. Vanessa ist 26, ihr fünf Jahre alter Sohn ist ein Kind mit körperlicher Beeinträchtigung und braucht jeden Tag ihre Aufmerksamkeit – doch was, wenn sie selbst mal nicht kann? Dieter sitzt mit 59 Jahren im Rollstuhl und würde sich gerne mehr bewegen – doch die Pflegekräfte haben hierfür kaum Zeit.
So unterschiedlich wie die Menschen sind auch ihre Lebenssituationen. Was sie gemeinsam haben? Den Wunsch nach guter Versorgung!
Schau hin.
Versorgung ganzheitlich denken – entlang von Lebenslagen und individuellen Bedarfen
Eine standardisierte Versorgung, Pflege und Unterbringung von Menschen mit entsprechenden Bedarfen wird zukünftig nicht mehr ausreichend sein. Denn so unterschiedlich wie die Menschen sind ihre individuellen Lebenslagen und -umstände, wie ihr Alter, ihre Erkrankungen oder Beeinträchtigungen, etc.
Gleichzeitig sind die Beschäftigten in den Einrichtungen überlastet und mit den an sie gestellten hohen Anforderungen im dauernden Überforderungsbereich. Aus Zeitgründen kann deshalb oftmals nur eine medizinische und rein pflegerische Versorgung gewährleistet werden. In direkter Folge des bereits eingetretenen Personalmangels werden sich in Zukunft schwerwiegende Versorgungslücken eröffnen.
Die bisher geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen verhindern auf den Menschen ausgerichtete Einsatzplanung und optimierte Versorgung. Bedarfe und Bedürfnisse können nicht erfüllt, im schlimmsten Fall nicht erkannt werden.
Was meint lebenslagenorientierte Versorgung?
Lebenslagenorientierte Versorgung bedeutet mehr als medizinische und pflegerische Hilfe. Zu einer ganzheitlichen und individuellen Versorgung gehört u.a. auch:
- Begleitung nach einer Krankheit
- Begleitung nach einem Unfall
- Begleitung bei angeborenen Beeinträchtigungen
- Sterbebegleitung
- Versorgung von Kindern, von Senior*innen, von Menschen mit körperlich, geistig und seelischen Beeinträchtigungen, von Sterbenden
- Wohnformen als echtes Zuhause
- Beratungsangebote
Betreuen, begleiten, pflegen – das Engagement der AWO in Sachsen-Anhalt
Die AWO betreut, begleitet, berät und pflegt Menschen mit Versorgungsbedarf in allen Regionen Sachsen-Anhalts. Wir sind Ansprechpartner in allen Lebenslagen und mit den Sorgen und Wünschen der Menschen vertraut.
Pflege in der Schieflage – Jetzt handeln und Weichen stellen!
Politik trifft Praxis: Die AWO in Sachsen-Anhalt startete im Oktober 2022 eine Info-Offensive zur Situation in der Pflege und lud politische Entscheidungsträger*innen in Pflegeeinrichtungen vor Ort ein.
Pack an!
Wir fordern: Einen Paradigmenwechsel
Um den Anforderungen einer lebenslagenorientierten Versorgung zu begegnen, braucht es aus Sicht der AWO einen Paradigmenwechsel. Zentrale Fragestellungen hierfür sollten sein:
- Sind Einordnungen nach ambulanten, teilstationären und stationären Leistungen noch zeitgemäß?
- Wer zahlt und wer erbringt künftig welche Leistung? Welche Bedarfe und Bedürfnisse bringen die zu Versorgenden mit? Wie gehen wir zukünftig mit den unterschiedlichen Altersgruppen um?
- Und wie können wir als Gesellschaft dieser Verantwortung und dem Auftrag, auch mit Blick auf Mitarbeiter*innen, gerecht werden?
Was aus unserer Sicht notwendig ist:
1. Weniger Bürokratie, mehr Menschlichkeit
Wir setzen uns aktiv für ein Umdenken beim Thema Pflege ein – und fordern gleichermaßen entsprechende gesetzliche Weichenstellungen von der Politik.
MDK, Heimaufsicht, Gewerbeaufsicht, Statistiken, Gesundheitsamt, Berufsgenossenschaft, Arbeitsschutz, Datenschutz, Brandschutz. Die fachlichen Anforderungen bei der Versorgung von Menschen mit Assistenz- und/oder Unterstützungsbedarf sind begleitet von einem großen bürokratischen Aufwand, zahlreichen Vorgaben und Kontrollinstanzen. Dokumentation ist für die Qualitätssicherung erforderlich. Bürokratie darf aber nicht dazu führen, dass der zu versorgende Mensch nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht! Es braucht wieder mehr Zeit für Zwischenmenschliches. Dafür muss Bürokratie abgebaut werden!
2. Mit modernen Finanzierungsstrukturen Teilhabe sichern
Das individuelle Einkommen vieler Pflegebedürftiger reicht häufig nicht mehr, um den Eigenanteil zu decken. Finanzielle Lücken können selten aus eigener Kraft geschlossen werden. Damit entsteht bei den Versorgten häufig eine Abhängigkeit vom Sozialstaat. Dieses Gefühl von Abhängigkeit und Armut wirkt sich kontraproduktiv auf das Lebensgefühl der Betroffenen aus. Das Gefühl des WERTSEINS geht verloren.
Eine moderne Finanzierungsstruktur, abgestimmt auf die Lebenssituation des Einzelnen, trägt dazu bei, dass Teilhabe weiterhin möglich bleibt bzw. wieder gelingt. Menschen sollten hierbei entsprechend ihrer persönlichen Bedarfe die Möglichkeit haben, Leistungen auszuwählen. Damit steigt auch das Gefühl des WERTSEINS.
3. Mit moderner Infrastruktur neue Lebens- und Versorgungsräume schaffen
Um ganzheitliche Versorgung entlang von Lebenslagen zu gestalten, sind folgende Ansätze denkbar:
- Förderung von Pilotprojekten als Wegbereiter für die Gestaltung moderner Lebensräume
- Schaffung von Rahmenbedingungen für den Einsatz multiprofessioneller Teams
- Verstärkung der Ansätze des Stadtteils- und des Quartiersmanagements
- Sicherstellung eines dauerhaften Digitalisierungsprozesses, der Vernetzung und Teilhabe fördert
- Barrierefreies und klimafreundliches Bauen als Standard der Zukunft