Kinder- und Jugendarmut verhindern – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Es ist ein Skandal: Jedes siebte Kind in Deutschland ist von Armut gefährdet. Wie diese erschreckende Zahl zeigt, sind Armut und soziale Ungleichheit schon längst keine Randphänomene mehr. Gleichzeitig ist Armut niemals selbst verschuldet. Armut wird in den allermeisten Fällen durch strukturelle und institutionelle Rahmenbedingungen verursacht, die diskriminieren und soziale Mobilität verhindern. Diese Rahmenbedingungen zu ändern, ist eines der Ziele der AWO in Sachsen-Anhalt. In unserem 2019 verabschiedeten Grundsatzprogramm haben wir daher festgehalten:

Um Ungerechtigkeit zu beenden, braucht es eine wirksamere Umverteilung. Das Ziel sind gleiche Lebens- und Teilhabechancen für alle Bürger*innen. Nur eine gerechte Gesellschaft ist eine solidarische Gesellschaft. Dafür kämpfen wir.

Wir glauben: Die nachhaltige Bekämpfung von Kinder-, Jugend- und Familienarmut kann nur mit einer Querschnitts- und Gesamtstrategie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gelingen – wir alle müssen handeln!

Wie Armut Kindheit und Jugend prägt – ein Interview

Wie Armut die Kindheit und Jugend prägt, weiß Juliane P. aus eigener Erfahrung. Im Interview erzählt sie über die Teilnahme ihrer Familie an der ersten AWO-ISS Kinderarmutsstudie, was das Wort „Armut“ für sie bedeutet und welche Unterstützung Sie auf ihrem persönlichen Weg bekommen hat.

In Sachsen-Anhalt ist jedes vierte Kind von Armut bedroht – Kindergrundsicherung muss Beitrag zur Armutsvermeidung leisten!

AWO Bewertung zum Entwurf des Eckpunktepapiers zur Kindergrundsicherung

In Deutschland stagnieren die Armutsgefährdungsquoten für Kinder seit Jahren auf einem konstant hohen Niveau von circa 20 Prozent. In Sachsen-Anhalt sind rund 25 Prozent der unter 18-Jährigen von Armut bedroht, damit befinden wir uns im Bundesvergleich auf dem zweiten Platz.

Ein Aufwachsen in Armut bedeutet nicht nur sozialen Ausschluss im Alltag, sondern hat langfristig negative Auswirkungen auf die Bildungs- und Berufsbiografien der betroffenen Kinder. Damit Familien in die Lage versetzt werden, allen Kindern und Jugendlichen die materiellen Voraussetzungen soziokultureller Teilhabe, Anerkennung und Zukunftschancen zu bieten und damit jedes Kind in Wohlergehen aufwachsen kann, bedarf es einer einkommensabhängigen Kindergrundsicherung. Dafür setzt sich die Arbeiterwohlfahrt seit 2009 als Gründungsmitglied des Bündnisses Kindergrundsicherung ein.

Mit Datum vom 18.01.2023 kursiert ein erster Entwurf mit nicht zwischen den Ressorts abgestimmten Eckpunkten zur Kindergrundsicherung aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Damit liegt ein erster Entwurf dazu vor, wie die Bundesregierung die im aktuellen Koalitionsvertrag angekündigte Kindergrundsicherung umsetzen will. Der AWO Bundesverband hat dazu eine erste Bewertung abgegeben. Begrüßenswert ist unter anderem die Berücksichtigung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Aus dem Eckpunktepapier lassen sich allerdings Schlechterstellungen von Alleinerziehenden im unteren Einkommensbereich im Vergleich zum Status Quo nicht ausschließen, die Schnittstelle zum Wohngeld muss unbedingt geklärt, ebenso der Einbezug der steuerlichen Kinderfreibeträge in die Kindergrundsicherung sowie die Höhe des Maximalbetrags und Neuermittlung des Existenzminimums. Die ausführliche AWO Bewertung zum Entwurf des Eckpunktepapiers kann unter diesem Link heruntergeladen werden.

Schau hin.
Zu viele Kinder in unserem Land sind armutsgefährdet

Im Jahr 2019 betrug die Armutsgefährdungsquote bei Kindern und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt 27,1 Prozent. In der Bevölkerungsgruppe der unter 18-Jährigen lag sie damit im Bundesvergleich an zweithöchster Stelle. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren, die in Sachsen-Anhalt in Familien im SGB II Bezug leben, beträgt aktuell ebenfalls etwa ein Fünftel – ein weiterer Indikator für die hohe Zahl der hierzulande von Armut bedrohten Kinder und Jugendlichen. Zusätzlich verstärkt die Corona-Pandemie diese nicht länger hinnehmbare Situation.

Armut ist ein Entwicklungsrisiko

Die AWO-ISS Langzeitstudie belegt: Armut stellt ein wesentliches Entwicklungsrisiko für Kinder und Jugendliche dar. Jedes dritte Kind mit Armutserfahrung hat keine Chance, die Armutsschleife zu durchbrechen. Es bleibt in Armutslagen.

Mehr über die AWO-ISS Langzeitstudie erfahren.

Familien und Kinder unterstützen – das Engagement der AWO in Sachsen-Anhalt

In verschiedenen Einrichtungen und mit zahlreichen Angeboten unterstützt die AWO Familien in Sachsen-Anhalt:

  • In den sechs Schuldnerberatungsstellen in Magdeburg, Köthen, Quedlinburg, Bitterfeld-Wolfen, Halle und in Oschersleben begleiten wir überschuldete Familien, finden mit ihnen Wege aus der Verschuldung und nehmen dabei soziale und psychische Faktoren ganzheitlich in den Blick.
  • Mit Angeboten der Schul- und Kitasozialarbeit leisten das Landesjugendwerk der AWO Sachsen-Anhalt und eine Vielzahl von Kreis- und Regionalverbänden einen Beitrag zur Bildungsteilhabe von Kindern und Jugendlichen aus armen Familien.
  • Mit den Angeboten der Tafeln in den Landkreisen werden Auswirkungen von Armut gelindert, die der Staat zulässt.
  • Die AWO SPI (Soziale Stadt und Land Entwicklungsgesellschaft) schafft mit ihrem Stationspark für Berufswahlreife ein speziell auf die Stärken von Jugendlichen ausgerichtetes Bildungsangebot im Übergang von der Schule in den Beruf.
  • Im Jugendclub „Teen Club“ (in Barby) des AWO Kreisverbands Salzland erhalten Kinder und Jugendliche im ungezwungenen Rahmen Orientierung und die für ihre Entwicklung so unendliche wichtige soziale Anerkennung.

Pack an!
Wir fordern: Gemeinsame Gesamtstrategie statt Einzelinitiativen

Trotz zahlreicher Angebote reicht die Unterstützung aus unserer Sicht bisher nicht aus. Es braucht eine politisch kraftvolle ressortübergreifende Gesamtstrategie in Sachsen-Anhalt, die die Bekämpfung von Kinder-, Jugend- sowie Familienarmut klar als Priorität setzt, Armut ganzheitlich in all ihren verschiedenen Dimensionen betrachtet, wirkungsvolle Instrumente erarbeitet, diese umsetzt und ihre Wirksamkeit bewertet.

Der Appell richtet sich an uns alle: WIR MÜSSEN HANDELN!

AWO-Positionen zum Thema Kinder- und Jugendarmut als Download